Liebe Christine, ich freue mich, dass Du Zeit hast, mit mir über das Thema Trauer im Kursalltag zu sprechen. Bitte stelle dich einmal kurz vor:

 

Mein Name ist Christine Kempkes. Ich bin mit einer halben Stelle angestellt als Bestatterin. Selbstständige freie Trauerrednerin und Trauerbegleiterin.

 

Wir sprechen heute über das Thema Trauer im Kursalltag. Die meisten Menschen flüchten beim Thema Tod und Trauer lieber. Doch gerade im Kursalltag kann es mir als Kursleiterin passieren, dass ich mit trauernden Menschen in Kontakt komme. Kannst du uns erklären, warum wir ungerne mit Tod und Trauer konfrontiert werde?

 

Früher oder später kommt jeder von uns mit Tod und Trauer in Kontakt und muss dann einen Prozess finden, dieses Erlebnis zu bewältigen. Nicht nur nach dem Tod eines geliebten Menschen oder eines Haustiers, sondern auch nach anderen Verlusterfahrungen, wie zum Beispiel Jobverlust spüre ich Trauer. Es ist für jeden anders. Viele Menschen mögen nicht mit Tod und Trauer konfrontiert werden, weil sie vielleicht ein Trauererlebnis nicht verarbeitet haben oder sich mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert fühlen. Dadurch werden sie unsicher und wenden sich leider oft ab.

 

Ich kann mich erinnern, dass ich dich vor zwei Jahren angerufen habe, weil ich im Schwimmbad mit einem sehr schlimmen Trauerfall konfrontiert wurde und ich so als Kursleiterin völlig aufgeschmissen war, wie ich damit umgehen soll. Ich hatte eine Schwangere in meinem Kurs, die mit ihren Zwillingen schwanger war und diese verloren hat. Ich fühlte mich, als Kursleiterin einfach hilflos und wusste nicht wie ich mich ihr und ihrer Familie gegenüber verhalten soll. Ich habe dich angerufen und gefragt. Was kann ich tun? Wie kann ich reagieren? Wie kann ich helfen, ohne aufdringlich zu sein.  Folgende Tipps hast du mir gegeben:

  1. Bei mir bleiben und einfach darauf schauen, was derjenige braucht. Ihn direkt fragen.
  2. Wenn man keine Worte findet, es genauso sagen: Mir tut es so leid, was du gerade erlebst. Ich bin sprachlos. Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Lass dich einfach mal drücken. Dieses Gefühl ist tatsächlich für Trauernde ganz wichtig, dass sie merken, da ist jemand der sie wahrnimmt ihre Trauer wahrnimmt. Natürlich gibt es ein paar Bullshit Bingo Sätze, wie z.B. Ich weiß genau wie es dir geht. Das weiß kein anderer. Trauer ist etwas ganz Individuelles. Trauer macht jeder in seiner eigenen Art mit seinem eigenen Tempo. Das gilt es auch zu respektieren.
  3. Achte auf vorsichtige Formulierungen und die eigene Unsicherheit wirklich tatsächlich auch nach außen kehren und sagen: Vielleicht habe ich einen Hauch von Ahnung, wie es dir gerade geht und ich möchte dir einfach sagen Ich fühl mit dir. Ich weiß gar nicht wie ich dir helfen kann. Was brauchst du gerade. Gerade Verlusten führen oft dazu, dass Menschen eine Zeit lang ihren Alltag nicht bewältigen. Dann kann ich ja fragen: Hilft es dir, wenn ich mit deinem Kind mal auf den Spielplatz gehe oder wenn ich einkaufen gehe soll ich dir etwas mitbringen. Hilft es Dir wenn ich mal vorbeikomme und wir kochen zusammen. So ganz konkrete Dinge anbieten aber immer fragend.
  4. Bewerte nicht ihre Trauer: Jeder trauert anders. Wenn ein Trauernder deinen Kurs besucht, soll er kein schlechtes Gewissen haben. Viele Trauerende halten das für Verrat an dem Verstorbenen. Das erschwert ganz vielen den Weg zurück ins Leben. Meine Philosophie ist, dass beides dazugehört. Also ich spreche immer gern vom Lebensrucksack. In diesen gehört unsere Lebensfreude, unser Lachen, aber eben auch unsere Sorgen und unsere Angst. Und genau das ist es doch eigentlich was unser Leben reich macht. Ich erlebe auch immer bei Trauernden, wenn sie ein ganzes Stück durch ihre Trauer gegangen sind, dass sie irgendwann sagen. Ich habe so einen tiefen Schmerz gespürt, wie ich ihn noch nie kannte in meinem Leben. Ich lerne gerade, dass ich dann das andere Ende der Fahnenstange also die positiven Gefühle auch noch einmal viel intensiver erlebe.
  5. Trauer braucht Zeit. Bei jedem ist sie anders. Mein Tipp Respektiere, dass jeder Menschen individuell trauert und dass es eben auch mal Jahre dauern kann bis jemand wirklich zurückfindet ins Leben. Trauernde haben das Gefühl haben das Bedürfnis darüber zu sprechen. Auch über ihren verlorenen Menschen zu sprechen und es ist wichtig, dass zuzulassen und immer wieder ein offenes Ohr zu haben.

 

Es gibt so einen Satz Die Zeit heilt alle Wunden. Wie findest Du den Satz?

Also ich finde, die Zeit sorgt dafür, dass wir mit der Trauer anders umgehen können. Aber von ganz heilen möchte ich nicht sprechen. Es gibt ein schönes Bild. Ich glaube das stammt ursprünglich von der bekannten Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper.  Trauer ist wie ein Berg. Aber es wird immer ein letzter Stein übrig bleiben den wir in unsere Hosentasche stecken. Und das ist auch wichtig glaube ich. Macht uns ein Stück weit auch feinfühliger. Für all das was in unserem Leben so passiert.

 

In meinen Kursen begegne ich auch, Kindern, die ihre Geschwister verloren.  Hast du Tipps, wie man als Kursleiter mit trauernden Kindern umgehen kann?

 

Kinder haben einen viel unbefangener Umgang mit dem Tod.  Sie lernen diese Fähigkeit zu trauern als Kinder, wenn sie zu Hause mitbekommen, wie die Familie mit Trauer umgeht. Das ist eine unglaubliche Resilienzfähigkeit, die die Menschen lernen können von ihren Eltern. Kinder versinken nicht so tief in Trauer und bleiben Ewigkeiten drin, sondern sie haben Momente, in denen sie sehr traurig sind und dann wieder auch nicht. Zumindest Kleinkinder bis zum zehnten bis elftes Lebensjahr. Für Kinder ist Trauer eher wie Pfützen hüpfen. Sie springen hinein, aber genauso schnell auch wieder heraus.

Ich empfehle einen unbefangenen Umgang mit ihnen. Kinder sehen es mit anderen Augen und wir haben durch unsere Sozialisation oft vergessen, wie man trauert.  Daher ist es wichtig, dass man Kinder mit einbezieht, damit sie Trauer lernen.

—– Für alle, die noch mehr Informationen zu Thema Trauer haben möchten: Christine hat einen Podcast LIEBEVOLL TRAUERN. Weitere Informationen findet ihr unter www.christinekempkes.de

 

 

 

Das ausführliche Videointerview findet ihr unter https://youtu.be/pB_VUGTpT7g